JERUSALEM (inn) – Mit einem Bibelspruch hat der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Rede vor Studenten der Hebräischen Universität anklingen lassen. „Siehe, wie fein und lieblich ist‘s, dass Brüder einträchtig beieinander wohnen!“ (Psalm 133,1) Steinmeier fügte zwar sogleich an, der Psalm beschreibe sein Gefühl, wieder an der Hebräischen Universität zu sein – vor zwei Jahren erhielt er hier die Ehrendoktorwürde. Doch wer den Spruch hörte, wird unweigerlich auch an die wohl wichtigste Aufgabe dieses Antrittsbesuches gedacht haben: Wogen glätten nach dem Eklat mit Außenminister Sigmar Gabriel.
Der deutsche Außenminister hatte sich mit umstrittenen Organisationen getroffen, der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu quittierte dies mit der Absage eines Treffens. Seinem Parteifreund gab Steinmeier dann nachträglich seinen Segen. Er betonte zunächst, Israel habe sich trotz einer feindlichen Umgebung die Demokratie bewahrt. Allerdings würden „Sprechverbote“ nicht zum Verständnis beitragen. „Weil wir Deutsche die Vielfalt der Demokratie in Israel kennen und bewundern, wollen wir auch weiterhin unsere schwierigen Fragen mit möglichst vielen unterschiedlichen Gruppen in Ihrem Land besprechen und möglichst viele unterschiedliche Sichtweisen kennenlernen – so wie wir das über Jahrzehnte im Vertrauen zueinander gehalten haben.“
Demokratie sei kein „Naturzustand“, sondern stehe immer vor Herausforderungen, sagte Steinmeier weiter. Eine dieser Herausforderungen sei der „Verlust politischer Vernunft“ durch Falschdarstellungen in den Medien. Aber auch die israelische Besatzung des Westjordanlandes gefährde die Demokratie. „Gerade weil wir auch die Demokratie im Blick haben, werben wir Deutsche für eine Zwei-Staaten-Lösung. Wenn ich ein paar Jahre vorausdenke, dann hat Israel nur in einer Zwei-Staaten-Lösung eine Zukunft als jüdischer und demokratischer Staat.“
Steinmeier: Beziehung übersteht Stürme
Als Steinmeier diese Worte in der – nach eigenem Bekunden – Wohlfühlatmosphäre der Hebräischen Universität vortrug, hatte er einen schwierigen Teil seiner Reise bereits hinter sich: Bei dem Treffen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte er, das Verhältnis zwischen beiden Ländern könne auch „Stürme überstehen“. Netanjahu hatte zuvor die israelische Armee verteidigt. Die israelischen Soldaten und Kommandeure seien mutig und stünden in Fragen der Moral niemandem nach.
Im Beisein von Steinmeier sprach Netanjahu auch die palästinensische Seite an. Ein Wandel zum Frieden werde erste dann eintreten, wenn die Weltgemeinschaft die Palästinensische Autonomiebehörde stärker zur Verantwortung ziehe. Die Autonomiebehörde preise aber weiterhin Terroristen und erziehe palästinensische Kinder zum Kampf gegen Israel.
Trauer und Fröhlichkeit
Am Sonntagmorgen hatte Steinmeier zusammen mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und Charlotte Knobloch, die das Amt von 2006 bis 2010 bekleidete, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht. „Unfassbare Schuld haben wir Deutsche auf uns geladen“, schrieb Steinmeier in das dortige Gästebuch.
Der Abend zuvor gestaltete sich ungleich fröhlicher. Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin nahm seinen deutschen Amtskollegen mit auf eine Tour durch den Mahane-Jehuda-Markt in Jerusalem. Beide spazierten im Getümmel ihrer Entourage an erstaunten Nachtschwärmern vorbei und genehmigten sich ein Bier, um sich am Sonntagmorgen zum offiziellen Empfang wieder zu begrüßen.
Daraufhin traf Steinmeier den regierungskritischen Schrifsteller David Grossmann. Ein ähnliches Treffen hat er auch am Montag vor – dann will sich Steinmeier mit dem Schrifsteller Amos Oz treffen, bevor es am Dienstag weiter in die palästinensischen Gebiete geht.
Von: df